Irgendwo in Berlin

Deutschland (Ost) 1946 Spielfilm

Irgendwo in Berlin


Christiane Mückenberger (Red.): Zur Geschichte des DEFA-Spielfilms 1946-1949. Eine Dokumentation. Information. Hochschule für Film und Fernsehen der DDR, Nr. 3/4/5/6, 1976


(…) Bei Gerhard Lamprecht ist der Rückgriff auf die zwanziger bzw. dreißiger Jahre des deutschen Films ganz besonders deutlich, weil er in seinem Film "Irgendwo in Berlin" direkt an seinen eigenen internationalen Erfolg "Emil und die Detektive" aus dem Jahre 1931 anzuknüpfen versucht. Die Ähnlichkeiten beginnen mit der Fabel, setzen sich fort im szenischen Arrangement einzelner Einstellungen (der Überraschungseffekt in der Szene, als das Hoftor aufgestoßen wird und den Blick freigibt auf die Schar von Jungen und Mädchen – in dem einen Falle Emils Mitdetektive, in dem anderen Falle freiwillige Helfer für den mutlosen Heimkehrer) bis zur Wahl eines bestimmten Schauspielers: Fritz Rasp. "Der Mann mit dem steifen Hut" aus "Emil und die Detektive" spielt in "Irgendwo in Berlin" auch wieder einen Gauner und Taschendieb. In Lamprechts DEFA-Film fällt jenem nur eine Nebenrolle zu, weil der Angelpunkt des Kästnerschen Sujets: Solidarität der Kinder zur Entlarvung des Diebes, in Lamprechts Drehbuch zu "Irgendwo in Berlin" umfunktioniert ist zur Lebenshilfe für einen mutlosen Heimkehrer und so die Episoden mit dem Taschendieb Waldemar hier die Haupthandlung nur ergänzen. Gemeinsamkeiten der Filme werden auch in der Auswahl bestimmter Jungentypen deutlich. Lamprechts Capitain ist Kästners "Gustav mit der Hupe", das geht bis zu Details des Kostüms.

Bei Gustav aus "Irgendwo in Berlin" bemerkt man Ähnlichkeiten mit Kästners Helden Emil Tischbein usw. Entscheidend ist, daß Lamprecht Kästners Ausgangspunkt, Kinder zu zeigen, die zur Selbsthilfe greifen und den Erwachsenen ein Beispiel solidarischen Handelns geben, für die Nachkriegsproblematik nutzt. Es handelt sich nicht darum, eine einmal gelungene Geschichte willkürlich auf eine andere Zeit und auf andere Bedingungen zu übertragen. Im Gegenteil, gerade dieser Grundgedanke hat eine innere Beziehung zu dieser Zeit. Wie konnte man unbeschwerten Optimismus, Lebensmut, Fähigkeit zur bedingungslosen Solidarität am überzeugendsten für breite Kreise darstellen? Mit einer Geschichte, in der die Helden Kinder waren. Die Integrität von Kindern mochte eine besondere Rolle dabei gespielt haben. Es ist symptomatisch, daß in mehreren Filmen zu diesem Thema Kinder oder Jugendliche Träger der Handlung sind. "Die Kuckucks" oder "1-2-3 Corona" sind keineswegs nur Kinderfilme, sondern in erster Linie Filme für Erwachsene, besonders "Irgendwo in Berlin" ist auch zweifellos so aufgefaßt worden. (…)

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