Der bewegte Mann

Deutschland 1994 Spielfilm

Der bewegte Mann


Hans Schifferle, epd Film, Nr. 10, Oktober 1994

Die Situation könnte eindeutiger nicht sein. Doro erwischt ihren Freund Axel in flagranti beim Seitensprung. Die Folge der von Sönke Wortmann schön kraß inszenierten Szene: Doro schmeißt Axel aus der gemeinsamen Wohnung. Der schöne junge Frauenheld steht allein auf der Straße. Er landet schließlich auf einer ausgeflippten Schwulenparty, wo er Norbert kennenlernt und "Waltraut" und all die anderen. Axel, gespielt von Til Schweiger, dem Ruhrpott-Beau aus "Manta, Manta" ist in den wunderbaren Käfig voller Narren geraten, ein Hetero allein unter Schwulen.

Die Situation gibt viel her, von schrillem Klamauk bis zu feiner Subtilität. Sönke Wortmanns Film, basierend auf zwei Comics von Ralf König, handelt vom Wechselspiel zwischen kruden Scherzen und Nuancen, zwischen Klamotte und Komödie. Wortmann läßt sie aufeinanderprallen, die effeminierten Schwulen und die Macho-Schwulen, die Schwulen und die Heteros, die Männer und die Frauen. Dabei gibt es kaum eine Grenzüberschreitung: es wird bald klar, daß Axel, der Hetero-Parsifal, keine bisexuellen Neigungen bei sich entdeckt. Er liebt die Frauen und Doro, die, wie sich bald herausstellt, von ihm schwanger ist.

Zweideutigkeiten gibt es bei Wortmann ganz nebenbei im Widerstreit der Stereotypen. Wenn sich Norbert, der sensible Schwule, der noch dazu Vegetarier ist, mit seinem Freund, dem rüden Leder-Schwulen "Metzger", der noch dazu Fortuna-Köln-Fan ist, ums Essen streitet, verschieben sich unsere Sympathien auch mal weg vom lieben Norbert. Auf einmal sind wir auf der Seite des "Metzgers", der sich die Freiheit nimmt, eine Curry-Wurst zu essen. Ein weiteres Beispiel für Wortmanns kleine, beiläufige Subversivität ist die Szene im Kino, in der Norbert einen Visconti-Film anschaut, während es den "Metzger", hervorragend gezeichnet von Armin Rohde (dem "Bierchen" aus "Kleine Haie"), mehr ins Kino nebenan zieht, wo es einen Action-Film à la "Rambo" gibt.

Wortmanns Film ist ein sympathischer Wechselbalg, in dem auch verschiedene Stilrichtungen aufeinandertreffen. Es gibt Reminiszenzen an das deutsche Kino der fünfziger Jahre und die New Wave-Filme der achtziger: Die Situation des Heteros unter Schwulen erinnert bisweilen an einen Preussen unter Bayern oder an einen Yuppie unter Punks. Mit diesen Verweisen will Wortmann vor allem das Problemkino der siebziger Jahre, das bis heute seine Wirkung hat, parodieren. Und parallel dazu versucht er, ähnlich wie Detlef Bück, zu torpedieren, was politisch und sexuell als korrekt gilt, etwa in der sehr albernen, aber gar nicht unrealistischen Schilderung einer Männergruppe, in der Akteure wie Christoph Wackernagel oder Martin Armknecht richtig schön chargieren können. Doch diese Versuche sind allzu zaghaft. Wortmann will keine Harmonie, aber doch Ausgewogenheit, und damit hat er seine Schwierigkeiten. Das Problem sind vor allem die Frauen. Die Figur der Doro stimmt nicht. Man nimmt ihr einfach nicht ab, daß sie hysterisch reagiert, wenn zwei Tunten auf ihrer Hochzeit erscheinen. Dafür ist sie zu sehr auf der Höhe der Zeit. Und die Hysterie auf ihre Schwangerschaft zu schieben, ist nur eine Ausrede.

Im Grunde ist "Der bewegte Mann" die Transformation eines Schwülen-Comics in ein buddy movie mit ein paar Beziehungsturbulenzen drumherum. Die Freundschaft zwischen Axel und dem schüchternen Norbert, porträtiert von Joachim Król bildet den Mittelpunkt des Films. Im Spiel von Król, dem man einfach ewig zusehen könnte, läuft die gesamte Palette komischer Spielarten, die der Film anschlägt, zusammen. Eine Mischung aus Woody Allen und Charlie Brown hat Comic-Autor Ralf König Joachim Król genannt. In seiner Darstellung wird der Film wirklich zur Komödie und erreicht die Qualitäten von Wortmanns vorletztem Film "Kleine Haie". Wärme und Sehnsucht ist darin zu spüren, und die Angst vor Verlust. Norbert ist der Freund, den man sich wünscht. Vielleicht ist gerade dies sexualpolitisch nicht mehr korrekt.

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