Mein Führer - Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler

Deutschland 2006/2007 Spielfilm

Lachen gegen den wohligen Schauer


Daniel Kothenschulte, Frankfurter Rundschau, 09.01.2007


Darf man lachen über Hitler? Fangen wir an mit einer leichteren Übung. Lachen wir doch einmal über Bruno Ganz. Er war das scheinbar untadelige Element am Eichingerfilm Der Untergang. Aus einem winzigen Tondokument aus dem Privatleben des Diktators entwickelte der Schauspieler eine gefeierte Performance. Oder war das monumentale Gemurmel in all seinem Anspruch, die Banalität des Schreckens zu repräsentieren, vielleicht nicht doch selbst eine Banalität? Eines hat sich seit den finstersten Zeiten nicht geändert: Manchmal braucht man einen Parodisten, um hinter die Kulisse einer erfolgreichen Performance zu blicken. Und ein Element des Lächerlichen gerade in der vermeintlichen Perfektion auszumachen.



Helge Schneider, der mit seiner Darstellung der Hauptrolle Dani Levys Film Mein Führer in ähnlicher Weise überragt wie Ganz den Untergang, spielt gar nicht den Hitler. Er spielt Bruno Ganz. Und Dani Levys Film spielt zwar in Nazi-Deutschland, aber der Spuk, den er verspottet, ist noch lange nicht vorüber. Es ist der gegenwärtige mediale Wahn, aus beliebig aufbereiteten Archivschätzen und Nachstellungen die Hitlerzeit lebendig werden lassen zu wollen - wie auf denselben Kanälen die Römer- oder Mayazeit.


So wie Guido Knopp in seinen Hitler-Dokumentationen zwischen Archivbildern auch frisch geputzte Knobelbecher zu dröhnenden Soundeffekten aufmarschieren lässt, schickt Levy Nazistiefel über glänzende Parkettböden. Und seine imposanten Kulissen übertrumpfen den Pomp des Eichingerfilms, wo sie können: Wenn sich die Himmel über der Speer-Architektur malerisch verfinstern oder über Hitlers Bett ein überdimensionierter Naziadler wacht, dann versteht man, was Levy so furchtbar ärgern muss: Filme über das Dritte Reich, die sich ihrer wohlig-voyeuristischen Aufnahme derart sicher sind, dass sie wie barocke Pralinenschachteln daher kommen. Nein, das Lachen über Hitler muss man weit weniger fürchten als den wohligen Schauer. Man glaubt dem Regisseur gern, dass er sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt. Aber erst in der Auseinandersetzung mit dem Untergang findet er zu seiner verblüffenden Form. Mein Führer ist einer jener Filme, die man sich nicht vorstellen kann, bevor man sie gesehen hat.



Das Drehbuch, diese erweiterte Melange aus den beiden berühmtesten Anti-Nazi-Filmen Hollywoods, Der große Diktator und Sein oder Nichtsein, steckt für sich genommen voller schier unlösbarer Probleme. Die Grundidee ist brillant: Eine große, aufrüstende Hitlerrede ist geplant für das letzte Aufgebot - "Deutsche, es ist aus. Die Finsternis wird kommen und uns erwärmen!" Um den kraftlosen Diktator aber wieder in Form zu bringen, holt Goebbels den besten Schauspiellehrer, der sich finden lässt, aus dem KZ, den Juden Grünbaum. Dessen psychologische Methode weicht Hitler vollkommen auf; er wird geradezu süchtig nach dem unverhofften Verständnis und begreift sich als Missbrauchsopfer eines autoritären Vaters.





Mit seiner psychologischen Sicht auf Hitler ist es Levy vollkommen
ernst. Er hat sich von Texten der Psychologin Alice Miller, die Hitlers
verkorkste Kindheit aufs Tapet brachte, zu diesem Stoff inspirieren
lassen. Darin liegt für ihn tatsächlich ein Schlüssel zum Verständnis
dieser historischen Figur. Und es ist ihm ernst, sich mit seiner
Warnung vor falschen Autoritäten didaktisch an ein junges Publikum zu
wenden. Um dieses Ziel zu erreichen, hat er sogar in Kauf genommen,
sich von seiner ursprünglichen Konzeption zu entfernen.


Von der verstörenden Widersprüchlichkeit jener Fassung, die Helge
Schneider gelesen und gespielt hat, ist offenbar nicht mehr viel übrig.
Im Vergleich zum Drehbuch ist der Film, der diesen Donnerstag ins Kino
kommt, in ungleich leichterem Ton gehalten - hatte doch zunächst nicht
die sympathische Figur des von Ulrich Mühe gespielten Grünbaum
erzählerisch in das Geschehen eingeführt. Es war die "uralte Stimme"
des 116-jährigen Hitler, die sich mit einer Rechtfertigungsrede an die
potenziellen NPD-Wähler von heute wandte: "Ich habe akzeptiert, was ich
dem Deutschen Reich angetan habe, und dem ganzen Europa und der ganzen
Welt", beginnt er da in heiserem Pathos. "Und ich fühle tiefe Trauer."
Auf das Testpublikum muss das derart gespenstisch gewirkt haben, dass
sich Levy - zum Missfallen Schneiders - entschloss, den Film vollkommen
umzuarbeiten und weit zugänglicher zu gestalten. Diese beklemmende
Perspektive ist nun getilgt - und das ist geschmacklich die richtige
Entscheidung.


Einige dieser düsteren Momente aber sind noch erhalten: Man hält den
Atem an, wenn Grünbaum zu Beginn in den KZ-Duschraum geführt wird, wo
jedoch kein Gas aus den Rohren kommt, sondern dem Mann lediglich ein
Stück Seife auf den Kopf geworfen wird. Das ist nicht lustig, sondern
es schmerzt. Vermutlich soll diese Szene bedeuten: Auch die Gasdusche
ist in der Vermittlung des Holocaust zu einem abgenutzten Klischee
verkommen. Aber sind Witze über dieses Thema nicht die Domäne der
Neonazis? Es gab eine Zeit, da verlor der Komiker Ilja Richter beim
selben Kölner Sender, der diesen Film koproduzierte (wie übrigens auch
den Untergang), seinen Job, weil er Willy Brandts Kniefall in Warschau
in eine Slapsticknummer verwandelt hatte. Wenn das schon ein Tabu
gewesen ist, was soll man dann von Gags über Gaskammern halten? Aber
auch wenn sich Levy diese Szene besser verkniffen hätte, muss man sie
erst gesehen haben, bevor man sie abschließend beurteilt. Sie ist in
einer Härte und Schärfe inszeniert, dass es totenstill bleibt im
Publikum. Albernheit ist etwas anderes.




Ihren überraschend leichten Ton entwickelt die Komödie erst später, in
den Szenen mit Helge Schneider. Sein musikalisches Gefühl für Sprache
zieht eine völlig neue Ebene in diesen Film ein. Wenn Schneider das
blumige Pathos der Hitlersprache mal deklamiert, mal vernuschelt,
erreicht er den größtmöglichen Bruch zum Hypernaturalismus der Kulisse.
Sätze, die auf dem Papier platt und eindimensional wirken, klingen
plötzlich ganz anders. "Man hält mich für lächerlich genug, in einer
Kulisse herumzulaufen", ereifert sich der Führer gerade noch in einem
Moment seltener Selbsterkenntnis, um dann stolz sein schauspielerisches
Talent zu preisen: "Wie war das? Das Dramatische liegt mir mehr wie das
Komödiantische." Seine beste Performance gibt Schneider in einer
Hommage an das ureigene Unterhaltungsgenre jener Zeit, die von den
Nazis kastrierte Filmoperette. Zu den Bildern der Amateurfilme Eva
Brauns strapaziert Hitler singend die Hammondorgel. So hat man die
naive Liebe dieses Menschen zum Hausbackenen und Sentimentalen in der
Kunst noch nie gesehen. Man muss dieses Bild nur einmal mit seinem
Gegenstück, der muffigen Kunstbetrachtung im Untergang, vergleichen,
wenn einmal vor einer Breker-artigen Skulptur Andacht gehalten wird.


Von verwegener Großartigkeit ist schließlich jene Sequenz, in der Hitler, von Schlaflosigkeit gequält, ins Bett der jüdischen Familie kriecht. Grünbaums Frau hat ihn dazu aufgefordert, was Levy zum Anlass nimmt, das philosemitische Klischee der herzigen jüdischen Mutter anzugehen. Wieder hält man vor der Ungeheuerlichkeit den Atem an - bis die Frau plötzlich unvermittelt zur Waffe greift. Die sich daraus ergebende Diskussion mit ihren Mann über die Legitimität des Tyrannenmordes führt mit leichter Hand zu einem Kernthema politischer Ethik. Kunstvoller kann man das kaum verpacken. Wenn ein Film derartige Momente enthält, kann er kaum misslungen sein.

Zum Meisterwerk aber fehlt ihm dennoch ein gutes Stück. Es gelingt Levy nicht, die reizvolle Absurdität seiner Geschichte zu einem sinnvollen Ende zu bringen. Am Schluss, die Hitlerrede nimmt unter Grünbaums Regie einen gegenläufigen Verlauf, sind wir ganz beim Vorbild des Großen Diktator und seiner berühmten Schlussansprache angekommen. Aber Charles Chaplin war nun wirklich der letzte Künstler, der Komik und ein schon damals altmodisches moralisches Pathos derart kombinieren konnte. Die direkte, aufklärerische Ansprache, so sehr sie Levy ehrt, passt nicht recht zum Ton der komischen Groteske, den sein Film bis dahin angeschlagen hat. Dass der Drahtseilakt, beides zu verbinden, den heilsamen Spott und die Warnung vor den falschen Autoritäten, ihn jedoch so weit getragen hat, das verdient schon größten Respekt. Man kann sich das Leben kaum schwerer machen als Dani Levy mit diesem Film. Es ist der beste seiner Karriere.

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