1974

21. Februar
Uraufführung des DEFA-Films "Die Schlüssel" von Egon Günther. Die Arbeiterin Ric (Jutta Hoffmann) und der Student Klaus (Jaecki Schwarz) erleben während eines Urlaubs in Warschau eine Selbstfindung, die mit Rics Tod bei einem Verkehrsunfall endet. Ein berührender Film, aber ein Mißerfolg. Fürs Ausland nicht freigegeben.

24. Februar
In Baden-Baden stirbt der Autor und Regisseur R(obert) A(dolf) Stemmle, 71. Vielseitig und arbeitseifrig hat er als Journalist, Romancier und Drehbuchautor alle Medien bedient und sich dabei politisch erstaunlich unabhängig verhalten.

4. Mai
Gerhard Lamprecht, 77, stirbt in Berlin: ein Regisseur und ein Sammler. Seine Filme der zwanziger und dreißiger Jahre handeln vor allem von kleinen Leuten. Zille-Milieu. Ohne seine Filmsammlung gäbe es die Kinemathek in Berlin nicht. Eine Pionierarbeit war sein neunbändiger Katalog "Deutsche Stummfilme 1903–31".

Juni
In West-Berlin erscheint die erste Nummer der Zeitschrift "frauen und film", herausgegeben von Helke Sander. Sie will einen Beitrag zur Entwicklung feministischer Filmtheorie leisten, ab März 1976 (Heft 7) erscheint die Zeitschrift im Rotbuch Verlag. 1983 wird sie nach Frankfurt am Main wechseln und ab Heft 35 von Karola Gramann, Gertrud Koch und Heide Schlüpmann im Verlag Stroemfeld/ Roter Stern herausgegeben.

22. Juni
Nach 14 Jahren wird erstmals wieder der höchste bundesdeutsche Filmpreis, die "Goldene Schale" vergeben: an Maximilian Schells "Der Fußgänger", das Psychodrama eines Großindustriellen. "Dies ist ein schmallippiger, schöner, toter, trauriger Film über Deutschland und die Deutschen." (Karena Niehoff).

August
Im Carl Hanser Verlag, München, erscheinen die ersten beiden Bände der "Reihe Film", herausgegeben von Peter W. Jansen und Wolfram Schütte in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Kinemathek. Sie sind den Regisseuren François Truffaut und Rainer Werner Fassbinder gewidmet. Als "Blaue Reihe" setzen die Monografien Maßstäbe in der westdeutschen Filmpublizistik. 1992 erscheint der 45. und letzte Band (über den Regisseur Theo Angelopoulos).

28. September
Arnold Fanck stirbt 85jährig in Freiburg im Breisgau: ein promovierter Geologe und passionierter Bergsteiger. Als alle im Atelier drehen, klettert er mit den besten Kameraleuten auf die höchsten Gipfel. Sein Genre: der Bergfilm. Leni Riefenstahl und Luis Trenker sind dabei kongeniale Partner.

1. November
In Dinkelsbühl und Hof wird der Werner Herzog-Film "Jeder für sich und Gott gegen Alle" uraufgeführt: die Geschichte des rätselhaft auftauchenden und unaufgeklärt ermordeten Kaspar Hauser, erzählt als Passionsgeschichte aus dem 19. Jahrhundert. 1975 bei den Filmfestspielen in Cannes mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

22. Dezember
Premiere des DEFA-Films "Jakob der Lügner" von Frank Beyer im DDR-Fernsehen: die tragikomische Geschichte eines polnischen Juden in einem Ghetto 1944, der in einer Zwangssituation gute Nachrichten erfinden muß. Nach dem Roman von Jurek Becker. Der einzige DDR-Film, der je für einen "Oscar" nominiert wird.

 

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Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2004

© 2004 J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart.