1920

27. Februar
"Das Cabinet des Dr. Caligari" von Robert Wiene (Buch: Carl Mayer, Hans Janowitz) wird im Berliner "Marmorhaus" uraufgeführt. Mit Werner Krauß, Conrad Veidt und Lil Dagover. Ein Schausteller hypnotisiert einen Somnambulen und läßt ihn morden. Der Sozialphilosoph und Filmtheoretiker Siegfried Kracauer erkennt später in der Hauptfigur den paradigmatischen Tyrannen und gibt 1947 seiner filmhistorischen Untersuchung den Titel "From Caligari to Hitler".

12. Mai
Erlaß des Reichslichtspielgesetzes. Es regelt, daß alle Filme vor ihrer öffentlichen Vorführung von amtlichen Prüfstellen zugelassen werden müssen. Entsprechende Instanzen werden in Berlin und München eingerichtet. Sie unterstehen dem Reichsinnenminister. Die Freigabe wird durch eine Zensurkarte erteilt.

21. Juni
Einweihung des großen Glasateliers auf dem Gelände in Geiselgasteig bei München. Als erster Film entsteht hier "Der Ochsenkrieg", nach Ludwig Ganghofers Roman. Regie: Franz Osten (das ist Franz Ostermayr).

29. Juni
Die "Decla KG" und die "Deutsche Bioscop AG" fusionieren zur "Decla-Bioscop AG". Die Oberleitung der Produktion liegt künftig bei dem Regisseur Rudolf Meinert. Erich Pommer wird Chef der Auslandsabteilung.30. September Reichspräsident Friedrich Ebert besucht die Dreharbeiten zu Ernst Lubitschs "Anna Boleyn" in Berlin-Tempelhof. 4.000 Statisten – zumeist Arbeitslose – geraten darüber in Bewegung.

29. Oktober
Uraufführung des zweiten Golem-Films: "Der Golem, wie er in die Welt kam" von Paul Wegener und Carl Boese. Die Architekten Hans Poelzig und Kurt Richter haben auf dem Tempelhofer Ufa-Gelände ein mittelalterliches Prag gebaut. Die jüdische Legende verbindet sich mit deutscher Romantik und Wegeners Vision vom Kino des Phantastischen.

12. Dezember
In New York hat Lubitschs "Madame Dubarry" (amerikanischer Titel: "Passion") Premiere. Es gibt dort Vorbehalte gegen deutsche Filme. Die "New York Times" schreibt: "Die Herkunft von "Passion" darf als entschuldigt gelten, weil sein Star eine Polin ist und sein Sujet französisch." Der Film ist ein enormer Erfolg.

14. Dezember
Uraufführung von Ernst Lubitschs "Anna Boleyn" als Wohltätigkeitsveranstaltung des Vereins Berliner Presse. Das Parkett ist prominent besetzt und leidet mit Henny Porten, die als Hofdame von Emil Jannings umworben und als Königin von ihm betrogen wird.


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Hans Helmut Prinzler: Chronik, 1895-2004. In: Wolfgang Jacobsen, Anton Kaes, Hans Helmut Prinzler (Hg.): Geschichte des deutschen Films. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart: Metzler 2004

© 2004 J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart.