DEFA-Antifaschismus

In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre schien ein neuer Anfang möglich: Nikita Chruschtschow verurteilte in seiner Geheimrede auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 den Stalinismus, sowjetische Tauwetter-Filme wie "Letjat Zuravli" (1957, "Die Kraniche ziehen", Mihail Kalatozov) und "Ballada o soldate" (1959, "Die Ballade vom Soldaten", Grigorij Čuhraj) kamen in die Kinos. In der Folge suchten junge, talentierte DEFA-Regisseure, die an den Filmhochschulen in Moskau und Prag studiert und/oder als Assistenten im DEFA-Studio gearbeitet hatten, einen eigenen, weniger dogmatischen Weg, mit der antifaschistischen Tradition und mit zeitgenössischen Themen umzugehen.

 
Quelle: DIF
Konrad Wolf
 

Einige der interessantesten stilistischen Ansätze fanden sich bei den antifaschistischen Filmen – einem Genre, das als politisch korrekt galt. Heiner Carow erzählte 1958 in "Sie nannten ihn Amigo" die Geschichte eines Jungen in Berlin, der einen Flüchtling aus einem Konzentrationslager versteckt hält. Frank Beyer, der in Prag studiert hatte, benutzte 1960 den Spanischen Bürgerkrieg als Hintergrund für "Fünf Patronenhülsen", einen Abenteuerfilm über internationale Solidarität. 1962 inszenierte Beyer mit "Nackt unter Wölfen" den ersten deutschen Spielfilm über das Innenleben eines Konzentrationslagers. Die artifizielle Kameraführung Günter Marczinkowskys in Beyers "Königskinder" von 1961/62 mit Armin Mueller-Stahl und Annekathrin Bürger signalisierte eine Art Neue Welle, die weniger durch die Nouvelle Vague als durch den neuen tschechischen und polnischen Film beeinflusst war. Mit einem tschechischen Kameramann rekonstruierte "Der Fall Gleiwitz" 1961 detailgenau, wie die SS 1939 die auslösenden Ereignisse zum Zweiten Weltkrieg arrangierte. Regisseur Gerhard Klein arbeitete dabei mit den Drehbuchautoren Günther Rücker und Wolfgang Kohlhaase zusammen.

Quelle: DIF© DEFA-Stiftung
Manfred Krug, Günter Naumann, Edwin Marian, Erwin Geschonneck, Armin Mueller-Stahl (v.l.n.r.) in "Fünf Patronenhülsen"
 

Der wichtigste Repräsentant dieser Generation war Konrad Wolf, der als Sohn des kommunistischen Schriftstellers Friedrich Wolf im Exil in Moskau aufgewachsen war und 1945 als Leutnant der Roten Armee nach Deutschland zurückkehrte – eine Begebenheit, die er 1967 in seinem Film "Ich war neunzehn" überzeugend erzählte. Wolfs Koproduktion "Sterne / Zwedzy" von 1959 über die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs lief – nach einer Intervention der Bundesrepublik – bei den Filmfestspielen in Cannes als bulgarischer Film und wurde dort mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet.

Quelle: DIF© DEFA-Stiftung, DEFA-Holstein
Szenenfoto "Berlin – Ecke Schönhauser"
 

Klein und Kohlhaase hatten zuvor mit einer kleinen Reihe von Produktionen – "Alarm im Zirkus" (1953/54); "Eine Berliner Romanze" (1955/56); "Berlin – Ecke Schönhauser" (1957) – das Genre der "Berlin-Filme" kreiert. Es waren Geschichten aus dem täglichen Leben junger Menschen im geteilten Berlin, die in einem vom Neorealismus beeinflussten Stil erzählt wurden.