Der Erbarmungslose

Wenn es jemals ein versteinertes Gesicht in einem Film zu sehen gab, dann hier. Jean Gabin als Bauer Auguste ist abweisend, herb, unwirsch, schroff, unzugänglich. Er verzieht keine Miene, niemand weiß, was er denkt. Die Familie steht dem Alten hilflos und stumm gegenüber. Was ist passiert? Sein Enkel hat sich in Paris in Drogengeschäfte eingelassen, Auguste findet auf seinem Hof Rauschgift und vernichtet es. Ein Gangster taucht auf, bedroht Auguste, der aber deckt seinen Enkel. Als der Gangster zudringlich wird, erschießt ihn Auguste. Dann kommen drei weitere Gestalten auf den Hof und bedrohen den Bauern. Da der Alte keine Reaktion zeigt, töten sie seine Kühe, vergewaltigen seine Enkelin und setzen die Scheune in Brand. Da treibt der Alte seine Knechte zusammen (darunter ein ehemaliger Fremdenlegionär) und lässt die Gangster zusammenschießen. Dann hat er die Kripo auf dem Hof. Als sie einen seiner Knechte verhaften wollen, hält der Alte mit seinem Stock den Kripobeamten auf und sagt: "Verhaften Sie mich, ich gehe für ihn". Nun beginnt das Verhör. Doch Auguste zeigt keinerlei Regung, gibt nur die allerspärlichsten Antworten, aus denen keine Anklage wird. Man kann ihm nichts beweisen. Er wird freigelassen und sitzt wieder an dem langen Tisch in der Diele. So als wäre nichts gewesen. Der Enkel bleibt auf dem Hof. - Das ist von Pierre Granier-Deferre schmucklos und auf Spannung hin inszeniert und ganz auf die Darstellungskunst von Jean Gabin zugeschnitten. Er zeigt hier noch einmal - wie schon in der "Affäre Dominici" - einen Charakter, der dominant und unbelehrbar ist. Ein Fest der besonderen Art ist die Anpassungsfähigkeit des Schauspielers Klaus W. Krause, der Gabin seine Stimme leiht und - welch Paradox! - die Sprachlosigkeit dieses Auguste in die deutsche Fassung rettet. Unangenehm bleibt an diesem Film, dass der Zuschauer eine heimliche Freude empfindet, wie dieser Auguste mit den Widerlingen aus der Rauschgiftszene fertig wird. Aber in einer Demokratie gibt es keine Selbstjustiz! Auguste schaltet die Polizei nicht ein, weil der Enkel dann mit in den Fall verwickelt worden wäre. Der "gütige" Großvater schützt ihn! Die Zeiten sind glücklicherweise vorbei, wo die Waynes, Bronsons und Gabins die Justiz selbst in die Hand nahmen. In dieser Unbedingtheit ähnelt Gabin auch Spencer Tracy in "Stadt in Angst". Mit "alten" Männern muss gerechnet werden!