Die Weihnachtsgans Auguste

DDR 1987/1988 TV-Spielfilm

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Heinz17herne
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Verschneite Landschaft, idyllische Fachwerkbauten, Gänsegeschnatter. Hier oben im Norden scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, in die Kammersänger Ludwig Löwenhaupt (Koryphäe im Beruf, uneingeschränkter Pascha daheim: Dietrich Körner) von der Dresdner Semperoper regelmäßig fährt. Einmal im Jahr zur Vorweihnachtszeit. Zum einen, weil er hier geborenen ist, in engste Nachkriegs-Verhältnisse hinein: Sieben Familien und zwölf Kinder unter einem Dach – und für alle nur eine einzige Küche. Die Kinder mussten betteln gehen, damit zu Weihnachten wenigstens etwas Gänseklein auf dem Tisch stand.

Zum anderen reist der berühmte Opernsänger immer wieder zu dieser Zeit an die Stätte seiner Jugend, weil er mit Hans Becker und seiner Gattin Rosl engste Freunde aus dieser Zeit besuchen und, im Gegensatz zur aus Dresden mitgebrachten Jeans-Hose, original stonewashed, ein schmackhaftes Mitbringsel mit zurück nehmen kann, das dort selbst als Bückware nicht zu haben ist: Gänse aus Mecklenburger Zucht, von Hand gefüttert, keine anonyme Massentierhaltung. Das glückliche Federvieh würde plattdütsch reden, wenn es könnte, meint Hans, dessen bessere Hälfte ein göttliches Rezept mit Beifuß und Äpfeln kennt. „Die Kunst geht nicht nach Brot“, weiß Ludwig, „sondern nach Rosls Gänsebraten.“

Und den liebt der Künstler knusprig braun, mit Äpfeln, Rotkraut und zwei Sorten Klößen. Den traditionellen Weihnachtsbraten besorgt er sich in diesem Jahr zusammen mit Gattin Hanna („Essen ist die Erotik des Alltags“) und dem Jüngsten der Familie, Peter. Der ist ein aufgewecktes Kerlchen, stellt Fragen über Fragen und sucht sich die Löwenhauptsche Gans persönlich aus: Auguste heißt sie – und sie spricht. Jedenfalls für Peter. Besser: sie schnackt plattdütsch, weshalb er nicht jedes Wort gleich auf Anhieb versteht. Nach einigen Konzerten in Altenheimen, Rosl und Papa singen, Mama begleitet auf dem Klavier, geht’s quer durch die Republik zurück nach Sachsen: Auguste sitzt auf Peters Schoß auf der Rückbank im Lada.

Daheim staunen die drei weiteren Familienmitglieder, Robert, der Älteste, seine kleine Schwester Annette und Oma Gertrud (ihre schlesische Herkunft ist nicht zu überhören, was in der DDR, die Flucht und Vertreibung der Deutschen zum Tabu erklärt hat, durchaus ein Politikum ist: Käthe Reichel), nicht wenig über den schnatternden Zugang in der Villa auf dem Weißen Hirschen. Der im Trubel des sehr musikalischen Haushaltes jenseits des Blauen Wunders hoch über der Stadt kaum auffällt, eher im Gegenteil: „Keine Angst, Auguste, hier ist es immer so laut“ tröstet Peter und sorgt dafür, dass der watschelnde neue Hausgenosse bei ihm im Kinderzimmer nächtigen kann. In einer wunderschönen Holzkiste.

Während Annette („immer fiedeln, immer fiedeln“) eher unwillig zur Violine greift, bearbeitet Robert sein Schlagzeug zu jeder sich bietenden Gelegenheit mit Hochgenuss. Und ab und zu, wenn der Herr des Hauses außerhalb desselben weilt, wagt es Oma Gertrud, sich an den Bechstein-Flügel zu setzen und schmettert Arien aus ihrer vielversprechenden Jugendzeit, die mit 16 abrupt beendet war, als Ludwig das Licht der Welt erblickte. Der wiederum nicht ganz unschuldig ist am Karriereriss seiner Gattin Hanna – als Vater von drei Kindern. Der Patriarch fürchtet nur eines: dass ihn seine Frauen eines nicht mehr so fernen Tages bitten werden, zur blutigen Tat zu schreiten.

Die designierte Weihnachtsgans Auguste sorgt derweil, von Peter im Instrumentenkoffer eingeschmuggelt, in der Schule für Furore und bringt Fräulein Quellmalz, die nervenschwache Junglehrerin, um den Verstand. Eine plattdütsch schnackende statt schnatternde Gans? Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Und dann steht das Fest der Feste vor der Tür. Oma Gertrud wetzt bereits die Messer, doch Papa Ludwig schafft es einfach nicht, den inzwischen lieb gewonnenen Hausgenossen seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Ihn plagen nachts Alpträume im Bett und abends auf der Bühne: der Kammersänger bringt sich noch um Kopf und Kragen, wenn er weiterhin „Auguste“ statt „Agathe“ singt. Als er auch noch eine „Lohengrin“-Vorstellung, zu der die Beckers extra aus dem hohen Norden angereist sind, schmeißt, steht sein Schicksal ebenso auf des Messers Schneide wie das des immer noch quicklebendigen Festtagsbratens...

„Die Weihnachtsgans Auguste“, die 83-minütige Defa-Adaption (PL Rolf Martius) der gleichnamigen Erzählung von Friedrich Wolf für den Deutschen Fernsehfunk, gehört seit der Erstausstrahlung am 24. Dezember 1988 zum festen Repertoire des Fernsehens der DDR sowie der Nachfolgesender MDR und RBB. Dabei ist die liebenswerte, zu Herzen gehende und prominent besetzte Schmunzelgeschichte für die ganze Familie in bestimmten Teilen gar nicht so harmlos. Der Kameramann heißt übrigens Rüdiger Pelikan – wenn das kein gutes Omen für den gefiederten Freund ist.

Pitt Herrmann


Credits

Director

Director of photography

Editing

Cast

All Credits

Director

Assistant director

Director of photography

Assistant camera

Lighting design

Production design

Make-up artist

Costume design

Editing

Audio mixing

Conductor

Cast

Location manager

Shoot

    • Dresden, Obercunnersdorf, Wehrsdorf
Duration:
2273 m, 83 min
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

TV-Erstsendung (DD): 24.12.1988, DDR-TV

Titles

  • Originaltitel (DD) Die Weihnachtsgans Auguste

Versions

Original

Duration:
2273 m, 83 min
Video/Audio:
Orwocolor, Ton
Screening:

TV-Erstsendung (DD): 24.12.1988, DDR-TV